2025

ZUR VERFLECHTUNG VON KÖRPER, GEIST UND TECHNIK MITTELS MALEREI

Auch wenn ab und an zwischen mehreren Welten stehend, fühle ich in vielerlei Hinsicht Verflochtenheit: als Mensch mit einem großen Ganzen unter anderen Menschen, als Wesen auf diesem Planeten mit allen anderen Wesen, sowie mit Pflanzen, „Natur“ und Kosmos (sofern überhaupt möglich) – und natürlich als arbeitender und denkender Geist, manchmal auch losgelöst von Raum-Zeit-Fixierungen. Sich so eigebettet, aufgehoben und sich auf verschiedenste Weisen immer wieder neu herausgefordert fühlen zu dürfen ist ein großes Geschenk und eine Aufgabe.

Im lebendigen permanenten Werden des Daseins fasse ich auch meine Malerei nicht als Werk sondern in erster Linie als Tätigkeit auf. In der Praxis bedeutet es das Ausüben von Techniken und Verweben von Energien, die in einem Zusammenhang und einer gesellschaftlichen Geschichtlichkeit stehen (ob nun Okzident, Orient oder afrikanisch genannt). Die „Arbeit des Geistes“ ist dabei nichts Individuelles, sondern etwas Intersubjektives, welches sich im dynamischen Austausch und Zusammenschluss vernünftiger Wesen ergibt und als solche erst Bedeutung konstituiert.1)

Insofern sehe ich nicht nur den geistigen Ausdruck in der Sprache sondern insbesondere Kunst als einen intersubjektiven Austausch und eine Möglichkeit der großartigen Verflechtung mit den vielfältigen Aspekten der Welt an.

Da zu unserer heutigen Welt zunehmend digitale Vorgänge gehören und ich seit der ersten Berührung eine Faszination, gepaart mit natürlichem Argwohn für diese Techniken empfand, verhandeln meine Arbeiten abstrakte Malerei in einer zunehmend analog-digitalen Umgebung. Sie konzentrieren sich auf die Auswirkungen dieser Erfahrungen auf den menschlichen Körper, insbesondere auf meinen eigenen Körper während des Malens und Zeichnens.

Die kritische Beschäftigung mit der Mensch-Maschine-Beziehung ist eine wichtige Herausforderung für unser derzeitiges Denken und für die Art, wie wir einander begegnen wollen. Alte Werkzeuge sind nicht besser und werden nicht von neuen abgelöst, sondern neue Maschinen und Techniken wirken anders und ihre Wirkung hängt ebenso, wie die der alten, vom jeweiligen Bediener ab. Vom Buchdruck bis zur KI-Anwendung wirken Medien natürlich prägend in ihre Zeit und haben unser Leben in vieler Hinsicht enorm vereinfacht. (The medium is the message. McLuhan) Wir sollten jedoch nicht unsere geistgeformte Sinnlichkeit und tiefe Fähigkeit, selbst Medium zu sein, leichtfertig aufgeben und uns nur den Werkzeugen überlassen.

Aufgewachsen mit traditioneller Malerei und Zeichnung, nutze ich den Computer schon seit 1988 als Zeichenwerkzeug. Im Gegensatz zum spontanen, unwiderruflichen Pinselstrich, einer Technik, die neben dem Pinsel wirklich von den Händen abhängt, ermöglicht der Computer ein meditatives Nachdenken, exaktes Replizieren und auch spurloses Aufheben malerischer Entscheidungen sowie die spontane Integration von Archivmaterial. Bei dieser Arbeit kann ich analytischere Entscheidungen treffen, als beim gestisch-expressiven Umgang mit Farbe und Pinsel. Der offen-spielerische Umgang mit digitalen Techniken gibt mir die Möglichkeit, ebenso überraschende, aber völlig unterschiedliche Ergebnisse als mit Handzeichnungen zu erzielen.

Beide Arten des Malens benutzen Apparate, die vom Körper bedient werden und beide wirken auf den Körper, der im lebendigen Austausch nie gertrennt vom Geist aufgefasst werden kann. (In diesem Sinne ist mit Wirkung nicht nur die Hand-Auge-Beziehung gemeint.) Greifbare Energie entsteht durch die Kraft und Verwurzelung der physischen Farbe, die fließt und sich in Materialschichten aufbauen kann. Die Arbeit mit dem Immateriellen auf dem Bildschirm ist weniger sinnlich, aber es lässt sich ebenso eine spezifische Wildheit in den Pixeln entdecken. In beiden Fällen ist es spannend eine Balance von Steuerung und Zufall zu finden.

Ich versuche beide Erfahrungen in gegenseitiger Reflexion auf die Leinwand zu bringen. Zwischen digitaler Malerei, die folgerichtig nur als Druck in die physische Welt der Pigmente transformiert werden kann (und so auch Pausen erzwingt), und händischer traditioneller Malerei entstehen hybride räumliche Strukturen und malerische Geflechte aus Licht und Farbe. Als letzten Beziehungspunkt füge ich einen Titel hinzu, der oft aus einem Gedanken, Gefühl oder Austausch während der Arbeit erwächst. Dabei bin ich von den enststehenden vielartig verschlungenen Gebilden und Räumen und deren Wirkung am Ende häufig selbst überrascht. (I.T.)

–––––––––––––––

1) Noller, Jörg (2018): Die Form des Geistes. Humboldts transzendentale Bedeutungstheorie, in: Die Aktualität des Geistes., hg. v. Jörg Noller u. Thomas Zwenger, Freiburg/München: Karl Alber.